Das hier gefällt mir auch ganz gut, obwohl er am Anfang überhaupt nicht gesprächig ist
Allegra - November 2001: Überholmanöver beendet
Warum soll man alles selbst machen, dachten wir und baten Heike Makatsch zum Interview mit dem schottischen Schauspieler Ewan McGregor. Ein Gespräch über Bad Hair Days, Elvis und die Sache mit dem Erwachsenwerden.
Ewan McGregor besaß für mich immer etwas, was die meisten internationalen Stars vermissen lassen. Gutes Aussehen, ohne dabei ein Schönling zu sein, sexy, aber mit jungenhaftem Charme, und immer bereit, sich in Interviews für seine Ehrichkeit auch mal schön in den Fettnapf zu setzen. Dazu dieses Lächeln... - lausbübisch und sorglos, als ob ihm der ganze Hollywoodkrempel wirklich so was von egal sei und er eigentlich nur zurück in den nächstbesten Pub wolle. Zu seinen Kumpels, die noch keinen seiner Filme gesehen haben und "Trainspotting" vermutlich für ein revolutionäres neues Zugüberwachungsprogramm halten.
Dann begann die ganze "Star Wars"-Misere. Er tat mir leid. Schien gefangen in einer riesigen Maschinerie, die er nicht mehr kontrollieren konnte, sah aufgedunsen und unglücklich aus. Geht eben doch nicht spurlos an einem vorbei, diese allumfassende Aufmerksamkeit, auch wenn man prinzipiell Schotte und bodenständig ist.
Am Morgen des Interviews bin ich nervös. Auch weil ich jetzt mal auf der anderen Seite sitze: ein kleiner Teil eines großen Londoner Presseevents anlässlich des neuen Films "Moulin Rouge". Was für ein Ewan McGregor wird mir gegenübersitzen? "Moulin Rouge" ist charmant, bunt, atemberaubend und sexy. Kann das wahre Leben da mithalten? Schnell wird klar: Der Mann, der vor mir sitzt, hat sich augenscheinlich verändert. Passt auf, was er sagt, und hat das Leben auf der Überholspur für die Suche nach bleibenden Werten eingetauscht. Gut so - gibt es Langweiligeres als Männer über 30, die nicht erwachsen werden wollen?
Die Botschaft von "Moulin Rouge" lautet: Die größte Lehre ist, zu lieben und geliebt zu werden.
Muss man Lieben wirklich lernen?
Aber ja!
Kommt das nicht von allein?
Ich glaube, dass man zunächst durch die Hölle gehen muss, um am Ende fertig dazustehen. Das hat mit Erwachsenwerden zu tun. In der Liebe ist es dasselbe.
Ist die Liebe das Wichtigste im Leben, oder gibt es etwas Gleichwertiges?
Liebe ist am wichtigsten. Ob nun in der Partnerschaft, zu anderen oder der Liebe zu sich selbst...
Ist es heutzutage schwerer zu lieben?
Ich weiß ja nicht, wie es früher war, aber es ist immer leichter, nicht zu lieben. Vielleicht ist heute einfach nicht so klar, was Glück ist, weil da so viele andere Dinge sind, von denen die Leute glauben, dass sie ihr Glück bedeuten, obwohl dem gar nicht so ist.
Die Moral von "Moulin Rouge" ist, dass man für Ruhm bezahlen muss, dass man viele Opfer bringen muss.
Ruhm kommt immer den wahren Dingen in die Quere. Aber man kommt darüber hinweg.
Bringen Sie Opfer?
Wir Schauspieler zahlen einen hohen Preis für unsere Arbeit. Allein dieser Film hat neun Monate gedauert! In diesen neun Monaten gab es nichts anderes in meinem Leben als diesen Film.
Wie machen Sie das?
Ich mache es einfach.
Aber wie genau? Wann sehen Sie Ihre Tochter und Ihre Frau?
Man findet immer einen Weg, dass es funktioniert. Man lässt sie zum Beispiel zum Set kommen.
Sie haben etwa drei, vier Filmprojekte pro Jahr. Je darüber nachgedacht, ein Angebot abzulehnen?
Ich habe so viele Filme gemacht, weil ich diese Filme machen wollte. Ich habe noch nie - na ja, fast noch nie - einen Film gemacht, den ich nicht wollte.
Außer "Star Wars" schätze ich...
Nein, nein... Natürlich sagt man nicht: "Ich werde dieses tolle Angebot in diesem tollen Film nicht annehmen." Und trotzdem, man wünscht sich mehr Zeit für sich.
Ist der neue Teil von "Star Wars" eigentlich schon abgedreht?
Hmm.
Was mich interessiert - wie ist Ihre Frisur darin?
Na, die Fußballerfrisur. Vokuhila. Im ersten Teil war das ja nur andeutungsweise so.
Aber für "andeutungsweise" trugen Sie die Nackenpartie darin schon recht lang...
Aber jetzt hab ich einen Voll-Vokuhila.
Mögen Sie diese neue Frisur lieber?
Ehrlich gesagt hab ich da gar keine emotionale Bindung.
Und ich dachte, Sie würden die Make-up-Leute anflehen: "Bitte, bitte, nicht wieder hinten lang!" Sie werden das nicht wissen, aber in den Achtzigern trugen das sehr viele Leute in Deutschland. Sie sahen überhaupt sehr detusch aus in "Star Wars". Was als Kompliment gemeint ist, ich bin nämlich Deutsche.
Ach, Sie sind deutsch? Na, dann: vielen Dank.
Mussten Sie im neuen "Star Wars" wieder gegen Dinge kämpfen, die gar nicht da waren?
Ja - anstrengend! Man spielt mit den Reaktionen von jemandem, der gar nicht reagiert.
Sie und Nicole Kidman scheinen in "Moulin Rouge" hingegen richtig viel Spaß gehabt zu haben, gerade in den Tanzszenen. Hat Frau Kidman einen guten Humor?
Das ist tatsächlich das Erste, was einem an ihr auffält: ihr Humor. Wir haben eigentlich jeden Tag gekichert.
Sind Sie seitdem befreundet?
Wir haben uns seitdem nur ein-, zweimal gesprochen. Aber ich erfahre sehr viel über sie, weil sie ständig in irgendwelchen Magazinen auftaucht.
Wen favorisieren Sie: Penélope Cruz oder Nicole Kidman?
Kommen Sie, ich werde Ihnen darauf nicht antworten!
Hey, es ist nur ein Witz.
Vielleicht für Sie und mich. Aber hinterher steht überall: "Ewan sagt..."
Sie haben Recht. Gut, dann ein anderes Thema. Was wissen Sie über Deutschland?
Ich kenne Hamburg. Ich war damals mit der Theaterschule dort. Und für meinen Film "Nora" haben wir zwei Wochen in Hamburg gedreht.
Kennen Sie sich mit deutschen Filmen aus?
Nicht so richtig. War "Lola rennt" deutsch? Den mochte ich sehr. Ich mag es, dass die Franzosen Filme für die Franzosen machen und die Deutschen für die Deutschen. Wir Briten hingegen zerstören dadurch, dass wir verdammt sind, dieselbe Sprache wie die Amerikaner zu sprechen, unsere gesamte Filmkultur. Weil alles immer kommerziell sein muß.
Nach "Velvet Goldmine" sagten Sie, dass Sie eigentlich immer Rockstar werden wollten.
Dahinter steckt mein Verlangen, verehrt zu werden. Als Schauspieler wird man das ja auch ein bisschen, aber als Rockstar stehst du auf der Bühne und 45 000 Leute singen deine Texte mit.
Was ist der schnellste Zugang zu den Herzen: ein Lied oder eine schauspielerische Leistung?
Kommt drauf an. Viele Popstücke sind heutzutage einfach Mist - da gibt's diese Bands, fünf Typen oder drei Mädchen, und sie machen alle denselben Scheiß. Es klingt fürchterlich, und sie singen über nichts. Trotzdem vermute ich: Der unmittelbare Zugang zum Herzen ist ein Lied. Wobei das Zusammenspiel von Film und Musik auch gut funktioniert.
Vor allem, wenn man die Stücke kennt und sich dadurch an bestimmte Situationen im eigenen Leben erinnert fühlt. Was wäre der Soundtrack Ihres Lebens?
Die perfekte Untermalung wäre Cocktailmusik, eben das, was so in Hotellobbys gespielt wird: Bass, Piano, Schlagzeug.
Hintergrundgedudel.
Genau.
Welche Musik war Ihnen als Teenager wichtig?
Ich habe immer alles und nichts gehört. Ich war nie Punk oder so was, habe keiner Bewegung angehört. Als Kind habe ich Elvis gehört. Den liebe ich immer noch. Manchmal frage ich mich, woher er das alles hatte - wie konnte er nur so singen?
Stimmt.
Ich warte immer noch auf den nächsten Elvis. Wer könnte das sein? Mir kommt es jedenfalls so vor, als würde heutzutage jeder, der einigermaßen anständige Musik macht, so klingen wie jemand von irgendwann zuvor. Als würde jeder so klingen wie Radiohead. Das langweilt mich langsam.
Mussten Sie eigentlich wegen Ihrer großen Filmproduktionen Ihren Lifestyle - Pubs, Partys, Motorräder - aufgeben? Weil man in Hollywood verkatert nicht so gut ankommt?
Ach was, ab einem bestimmten Punkt in meinem Leben hat mir diese Art zu leben einfach keinen Spaß mehr gemacht. Ich habe ein fünfjähriges Kind zu Hause, fand mich ein einem Pub wieder und dachte: "Warum bin ich hier? Mit Leuten, die ich nicht einmal mag?" Es war einfach vorbei. Und ich bin froh, dass es so ist. Irgendwann wird man sich darüber klar, was wirklich wichtig ist: meine Familie. Nichts anderes - nicht mal die Arbeit - kann diesen Platz ausfüllen.
Bestimmte Dinge bekommen eben einen anderen Stellenwert in bestimmten Lebensphasen.
Ich mußte lernen, mit meiner Karriere umzugehen - hart genug. Aber genauso hätte ich lernen müssen, mit Nichterfolg umzugehen. Man muss immer mit den Dingen umgehen, die einem widerfahren, was auch immer das sein mag. Man verändert sich und muss sichergehen, den richtigen Weg einzuschlagen.
Hmm...
Ich habe geheiratet, bin Vater geworden, erfolgreich - alles zur selben Zeit. Trotzdem hab ich mir gesagt: Ich bin immer noch derselbe. Obwohl sich alles um mich herum änderte - ich nicht! Und dann merkst du auf einmal: Es ist doch nicht mehr so, wie es war. Leute begegnen dir sehr wohl anders. Leute, die dich nicht kennen, haben eine exakte Vorstllung von dem, wie du zu sein hast - bevor du auch nur ein Wort mit denen gewechselt hast. Aber: Das ist der Deal.